Rezension

Archive

Controlling Crowds


Highlights: Controlling Crowds // Dangervisit // Collapse/Collide // Razed To The Ground
Genre: Trip-Hop
Sounds Like: Birdpen // Massive Attack // Portishead // Air

VÖ: 22.05.2009

Knapp 15 Jahre gibt es das Künstlerkollektiv Archive nun schon, sechs Alben sind aus dem musikalischen Output der wechselnden Mitglieder hervorgangen, kaum eines glich dem anderen. Anfangs noch sehr klassischen Trip-Hop spielend, fokussierte sich die Band gerade auf den letzten Alben immer mehr in Richtung Rock. Und dann war da ja noch der Über-Song „Again“, 16 Minuten pure Gänsehaut. Nun also "Controlling Crowds" und die Frage, wie es weitergeht im Universum Archive.

Nun, als erstes merkt man wohl die schier unendliche Länge des Albums. Der 80-Minuten-Rohling wurde nahezu komplett ausgereizt und in drei Unterkapitel geteilt, die versuchen, Licht in das Dickicht an Melodien, Beats, verschiedenen Gesangslinien, düsteren und erhellenden Texten und dergleichen zu bringen. Man merkt: "Controlling Crowds" zu konsumieren, ist kein einfaches Unterfangen und braucht definitiv mehrere Anläufe.

Der gleichnamige Titelsong eröffnet das Album und stellt ein zunächst ruhig beginnendes, stufenweise aufbauendes düsteres Trip-Hop-Stück dar, welches am ehesten mit bisherigen Stücken wie „Lights“, „Again“ oder „Waste“ zu vergleichen ist, deren oftmals mehr als zehnminütige Länge auch hier locker eingehalten wird. Mag es am Anfang noch recht innovationslos daherkommen, so sind doch die herausgeschrienen Refrainphrasen melodisch absolut hörenswert. Überhaupt: Archive schaffen es im Laufe der Zeit mehrfach, wunderschöne Gesangslinien und elektronische Momente zu schaffen, die Eingängkeit mit Gefühl verbinden. Selbst dann, wenn die Texte bisweilen ins Bitterböse abgleiten, aber das kennt man ja schon spätestens seit „Fuck U“. Die erste Single „Bullets“ holt verstärkt Gitarren hinter dem Schrank hervor und hätte auch „Noise“ und „Lights“ gut gestanden. Das folgende „Dangervisit“ ist wohl einer der besten Songs, die jemals aus dem Kollektiv hervorgegangen sind. Bereits die ersten zwei Minuten sorgen für Gänsehautgefühl, ehe ein dumpfer, kalter Bass die depressiv-ruhige Atmosphäre mit sich in die Tiefe reißt - was noch lange nicht alles ist, denn dieser immer schneller werdende Strudel kollabiert in lautem Getöse und dunklem Grollen gegen Mitte des Stückes, um mit scheinversöhnlichen Klängen abzuschließen.

Überraschenderweise ist "Controlling Crowds" jedoch keine Fortsetzung und Weiterentwicklung der letzten beiden Alben, sondern eher den Wurzeln der Band, sprich, den Alben „Londinium“ und „Take My Head“ nahe. Die Gesangspartien Maria Qs („Collapse/Collide“, „Whore“) oder hiphopunterlegte Stücke wie das düster-technoide „Razed To The Ground“ verweisen eindeutig auf diese Zeit der Band. Gerade eben schon erwähntes „Collapse/Collide“, besungen von Maria Q, sich wieder einmal über zehn Minuten erstreckend, stellt einen Höhepunkt dar. Anfangs noch weich intoniert, zieht sich ein sich immer weiter aufbäumender, flehentlicher Gesang durch diesen verschmähte Liebe beschreibenden Text.

Archive versuchen, ihre komplette bisherige Karriere noch einmal zu reflektieren und neu aufzuarbeiten. Aus jeder Schaffensphase der Band finden sich Versatzstücke, Anleihen und Verweise. Bis auf sehr wenige kurze Momente ist dies mehr als nur gelungen, auch wenn es in den Ohren der Hörer eine gewisse Zeit dauert, ehe "Controlling Crowds" den Weg vom gefälligen Trip-Hop-Album zu einem der stärksten dieses Genres beschreitet.

Klaus Porst

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