Rezension

Aérea Negrot

Arabxilla


Highlights: Arabxilla // Todeloo // Hair
Genre: Elektropop
Sounds Like: Hercules & Love Affair // Alexander Markus // Marlene Dietrich

VÖ: 14.10.2011

Das Thema „Marke Berlin als Kulturhauptstadt“ ist mittlerweile in aller Ausführlichkeit beschrieben. In jedem Flyer für irgendeine Wohnung in den Stadtteilen P'berg, F'Hain oder X-Berg wird mittlerweile darauf hingewiesen, wer und was sich so alles in Nachbarschaft und Fahrradreichweite tummelt. Auch die noch so absurdesten Geschäftsideen finden in den „Kreativstadtteilen“ genügend Käufer, um wenigstens ein paar Monate eine Fensterwand für ungläubig Vorbeigehende zu füllen. Ebenfalls zur Marke geworden ist der "Sound Of Berlin" – obgleich eine Beschreibung und Genreeinordnung dessen aufgrund der Vielfalt unmöglich scheint. Geringschätzig wird die Musik- und Konsumentenszene Berlins gern als Hipsterkram abgetan. Wohl auch, weil vieles, was in der Stadt geschieht im Rest des Landes nur Schulterzucken erntet.

Kaum begreiflich mag es daher erscheinen, was die Sängerin Aérea Negrot auf ihrem Debütalbum auf die Ohren ahnungsloser Plattenladenbesucher loslässt. Die Dame, deren Name wie der einer finsteren Black-Metal-Band aus Norwegen klingt, aber aus Venezuela kommt, ist vor einiger Zeit in Berlin aufgeschlagen und versorgte bislang Hercules & Love Affair mit metrosexuellem Gesang. Wo bei Hercules & Love Affair noch Eingängigkeit herrscht und irgendwie auch ein durchschaubares künstlerisches Konzept, ist auf „Arabxilla“ komplett Schluss. Dadaistische Texte, verfasst in diversen Sprachen, treffen auf Elektronikgefrickel und Clubkultur.

Mal bestimmen sexuelle Anspielungen die textliche und musikalische Szenerie, mal springt einem der Vollzug dieser ungefragt ins Ohr. Vor Herausforderungen stellen den Hörer auch Textpassagen, in denen an harmlose, teilweise sogar interessante Lyrics einfach ein paar Beleidigungen gehängt werden – und da sage noch jemand, es wäre ein falsches Klischee, dass das Erste, was man in fremden Sprachen locker lernt, gepflegtes Fluchen wäre. Ist der Albumeinstieg mit Stücken wie „Arabxilla“, „Todeloo“ oder dem elegischen „A Volar“ noch recht erträglich, mag den einheimischen Hörern bei „Deutsche Werden“, das irgendwie klingt, als hätten Rammstein zu viel Super Mario gespielt, nur noch Fragezeichen über dem Kopf entstehen. Manchmal kann es auch von Nachteil sein, Texte ohne großes Nachzudenken zu verstehen. „Please Move To….“ und das folgende „Berlin“ verbinden Elektro-Schlager-Kitsch mit Marlene-Dietrich-Retrospektive. Wer wirklich bis “Listen To The People” durchhält, bekommt zum Ende noch einen akustischen Porno serviert.

Mag Aérea Negrot musikalisch noch im besten Sinne den Stempel „experimentell“ aufgedrückt bekommen, bei dem Anleihen sowohl bei Hercules & Love Affair als auch im 2-Step/Dubstep/IDM-Bereich zu erkennen sind, verhindern die überaus anstrengenden, übersexualisierten bis dadaistischen Texte bei „Arabxilla“ einfach zu oft ein weiteres Hören. Man mag einwenden, dass vielfach Texte in fremden Sprachen genauso banal und anstrengend sein können; das Problem, das „Arabxilla“ jedoch hat, ist, dass die Lyrics ungefiltert in Ohr und Gehirn gelangen und dort zumindest hierzulande zu viele und zu wenig Assoziationen gleichzeitig auslösen.

Klaus Porst

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