Konzertbericht

Neurosis


Alle paar Jahre kommen die Sludgelegenden Neurosis für einige Konzerte nach Deutschland. Wir haben die Band in Berlin erlebt. Warum man besser keinen Seismographen in die Nähe der Kalifornier stellen sollte, lest ihr hier.

Wasser tropft von der Decke, die Luft ist stickig, Menschen schwitzen – und das schon vor dem eigentlichen Hauptact des Abends. Neurosis haben ins volle, recht enge SO36 geladen, zu einer ihrer wenigen Shows, die sie alle paar Jahre mal über den großen Teich bringt. Wenig später vibriert dazu der Boden und man erwartet jede Sekunde, dass er sich unter einem auftut. Ohne große Worte, ohne viel Drumherum wie Intros oder seichte Einstiege reißen Neurosis ihr Set herunter. Den Einstieg macht "Eye" vom 1996er "Through Silver In Blood" – für viele bis heute das beste Album im Genre.

Beendet wird das Set ebenfalls mit einem Klassiker des Albums, "Locust Star", der nochmal die letzten Energiereserven bündelt. Dazwischen orientiert sich die Band hauptsächlich an den letzten beiden, vergleichsweise ruhigen Alben "Given To The Rising" und "Honor Found In Decay". Die Songs dieser mögen zwar auf Platte kaum noch mit dem sehr harten, rauhen Sound der frühen Neurosis gemein haben, fügen sich live aber wie passende Puzzleteile aneinander. Zwischenzeitlich sorgen "The Tide" und "Times Of Grace" dafür, dass Fans jeder Schaffenperiode persönliche Highlights hören durfte.

Die Bandmitglieder mögen zwar langsam auf die 50 zugehen, ihrem Sound ist das aber live überhaupt nicht anzumerken. Mit ihrer Wucht können sie immer noch einen Club zum Erbeben bringen und dafür sorgen, dass Wechselshirts dringend angeraten sind, derart mitreißend präsentieren sie ihre musikalischen Wechselspiele zwischen aggressiven Ausbrüchen und leisen Parts, die sich immer wieder zu neuen Drohkulissen auftürmen. Wie gewohnt zeigt die Band an diesem Abend in Berlin, dass sie nach wie vor die Referenz im Bereich Sludge/Postmetal sind und der brachiale Sound zeitlos scheint.

Klaus Porst