Konzertbericht

Einstürzende Neubauten


Ob zur Abrissparty im Palast der Republik oder nun eben zur Eröffnung der Elbphilharmonie – die Einstürzenden Neubauten als Künstler zu buchen, sie zu Architektur tanzen lassen, scheint sich zu bewähren. Gleich zwei Mal an einem Abend spielt die Kapelle ein Set ihrer "Greatest Hits". Welche das sind und wie diese in das Ambiente des Gebäudes passen, lest ihr hier.

Schon im Fernbus fallen sie auf, schwarzgekleidete Menschen ca. Mitte 40. Die grauen Schläfen hinnehmend, alternativ doch noch einmal in einem Anflug jugendlicher Erinnerung grün gefärbt. Es werden Kreuzworträtsel gelöst. Halb Establishment, halb Protestkultur, passend zum Auftritt der Einstürzenden Neubauten an diesem Abend im frisch eröffneten Prestigepalast Elbphilharmonie. Parallel dazu an diesem Abend: Graswurzelneubauten in der Roten Flora. Mitbringen der liebsten Lärm- und Scheppergegenstände für gemeinschaftliches Herumtrommeln inklusive als Hommage an die frühen Jahre der Neubauten. Eine Zeit, auf die die Originalprotagonisten heute verzichten werden. Als "Greatest Hits" sind die beiden Shows hintereinander an diesem Abend angekündigt, die dennoch den Sound auslassen, der die Band überhaupt so groß werden ließ. Schon die vorab veröffentlichte Best-Of-Compilation enthält bis auf "Haus Der Lüge" kein Stück vor 1993 und der erste der beiden Auftritte hält sich komplett an diese Leitlinie. In der Abendshow wird immerhin kurz einmal "Halber Mensch" durchklingen.

Natürlich passen die Stücke ab "Tabula Rasa" auch besser in dieses gediegene Ambiente. Ob "The Garden" zu Beginn, "Unvollständigkeit", "Youme & Meyou" – die mit tiefen, schweren Tönen unterlegten Stücke stellen keine Herausforderung an die Akustikmöglichkeiten der Elbphilharmonie dar. In kurzen, lauten Momenten, etwa "Haus Der Lüge" oder "Die Interimsliebenden" zeigt sich, was möglich gewesen wäre. Allgemein zum Sound: Die Elbphilharmonie bietet bis in die obersten Plätze glasklaren, mit leichtem Direkthall versehenen Studioklang. Jeder Ton, der aus den obskuren Gerätschaften auf der Bühne erzeugt wird, ist als solcher eindeutig wahrnehmbar. Es gibt kaum Grundrauschen, sondern geordnetes Nebeneinander. Am schwersten hat es dabei Sänger Blixa Bargeld, dessen teilweise vernuschelte Worte ihre aufgeladene Bedeutungsschwere nicht in den Raum tragen können, weil sie untergehen.

Dank der überwiegenden Auswahl ruhiger Stücke hat der Auftritt zwar zwischenzeitlich ein paar Längen, dürfte aber auch denen gefallen haben, die sich blind ein Ticket für dieses Konzert gekauft haben, nur um einmal einen Auftritt dort zu erleben. Schade nur, dass die Musiker darauf verzichtet haben, die vielfach in den Stücken eingestreuten Streicher live auf die Bühne zu bringen. Bis auf einen Celloeinsatz bei "How Did I Die" kamen diese jeweils vom Band. Hier hätten Live-Streicher sicherlich der Atmosphäre den letzten Schliff verliehen.

Klaus Porst