Interview

Other Lives


Kaum eine Band startete vergangenes Jahr erfolgreicher durch als die Other Lives. Aus dem einstigen Geheimtipp ist eine erwachsene Band geworden, die weiß wie der Hase läuft. Auf dem Haldern Pop Festival trafen wir Multiinstrumentalist und Mastermind Jon Mooney, um die letzten zwölf Monate Revue passieren zu lassen.

Wenn man auf das vergangene Jahr zurück blickt, müsstest du eigentlich gerade ziemlich aus dem Häuschen sein. Ihr hattet ja ziemlich viel Erfolg, spielt jetzt auf größeren Bühnen, habt für Radiohead den Support übernommen...

Jon Mooney: Wir sind sehr dankbar dafür, wie es in den letzten Monaten gelaufen ist. Es ist fantastisch, überall wo man gerade ist das Gefühl zu haben, dass sich die eigene Arbeit auszahlt. Wir waren jetzt dreieinhalb Jahre mehr oder weniger nonstop auf Tour und langsam, ganz langsam, hat sich das zu dem entwickelt, wie es jetzt ist. Ich bin einfach nur glücklich, endlich sagen zu können "Jawoll, all die Schinderei ist es wert".

Man könnte meinen, dass ihr auf "Tamer Animals" irgendetwas anders oder besser gemacht habt. Denkt ihr manchmal über die Gründe eures jetzigen Erfolgs nach?

Jon: (grinst) Um ehrlich zu sein, nein. Wir haben zwar die Platte im Nachhinein immer wieder genauestens analysiert, aber vielmehr im Hinblick auf das nächste Album und eher nicht als eine Art Nachbetrachtung.

Setzt ihr euch denn jetzt neue Ziele, nachdem es mit dem Durchbruch geklappt hat?

Jon: Wir wollten eigentlich immer nur Musik schreiben, die wir selbst gerne auf Platte hören würden. Das klingt jetzt vielleicht etwas egoistisch aber so ist es nun mal. Wir machen in erster Linie Musik für uns und wollen weiter als Musiker und Songwriter wachsen. Das wird auch das Ziel auf dem nächsten Album sein.

Wie sehr ist euch denn dieses "Wachsen" seit dem Beginn der Band gelungen?

Jon: (lacht) Das ist schwierig zu sagen! Die Other Lives existieren ja fast schon seit einem Jahrzehnt als Band. Deshalb wäre es ziemlich armselig, wenn ich jetzt was anderes sagen würde, als dass wir unheimlich gut geworden sind! Nein, im Ernst... Rückblickend haben wir schon sehr viel an Erfahrung und neuen Fähigkeiten mitgenommen. Ich denke, die Band von damals war eine Schülerband verglichen zu dem, was wir heute sind. Dennoch gibt es immer noch mehr als Musiker zu entdecken. Das ist ja das Schöne an diesem "Beruf": du lernst niemals aus. Das lässt es spannend beiben.

Inwiefern glaubst du, werden diese Erfahrungen, die ihr gerade in den letzten Jahren und Monaten gemacht habt, eure Arbeit am neuen Album beeinflussen?

Jon: Nun, rückblickend war "Tamer Animals" eine Auseinandersetzung mit unserem Leben in Oklahoma. Das war zwar ursprünglich so nicht beabsichtigt, aber letztendlich ist es so gekommen. Ich bin mir sehr sicher, dass beim nächsten Album vorrangig das Tourleben einen großen Einfluss ausüben wird, weil wir ja in letzter Zeit quasi nichts anderes gemacht oder erlebt haben. Wie sich das alles dann genau auswirken wird, kann ich aber noch nicht sagen. Ich bin selbst sehr gespannt darauf.

Wie fühlt man sich denn nach so einer Mammut-Tour? Sind die Akkus nicht irgendwann mal leer?

Jon: (lacht) Jetzt gerade überhaupt nicht. Morgen kann es aber vielleicht schon anders sein. Wir genießen das Unterwegssein dennoch größtenteils.

Und außerdem geht es Anfang des kommenden Jahres ja auch zum Ausruhen erst mal ins Studio...

Jon: Ganz genau! Wir sind auch schon ganz aufgeregt und haben bereits einige konkrete Ideen. Einen Vorgeschmack könnte vielleicht die EP liefern, die wir aufgenommen haben ("Mind The Gap" – erschien im Oktober). Es kann aber auch sein, dass wir alles über den Haufen werfen und es was ganz anderes zu hören gibt auf dem kommenden Album. Du siehst, sonderlich viel kann ich im Grunde nicht dazu sagen (lacht).

Ihr habt für "Tamer Animals" über ein Jahr gebraucht, um das Album zu produzieren. Hast du Angst, dass es dieses Mal ähnlich lange dauern könnte?

Jon: Ich habe keine Angst, weil ich jetzt schon genau weiß, dass es aller Voraussicht nach tatsächlich wieder so lange dauern wird (lacht). Das ist einfach unsere Art. Es ist auch wirklich nicht so, dass wir letztes Mal in diesen zwölf bis vierzehn Monaten ständig auf der faulen Haut gelegen wären. Wir haben damals wirklich vierzig bis fünfzig Stunden die Woche an der Produktion gearbeitet und so wird es wohl auch beim nächsten Mal sein.

Ist das harte Arbeit für dich oder macht dir das Spaß?

Jon: Mir macht das unheimlich Spaß! Das war eine der besten Zeiten in meinem Leben. In einem Appartement neben dem Studio wohnen und jeden Tag rüber gehen und weiter an dem Sound arbeiten. Das ist absolut großartig und genau der richtige Ausgleich zum Tourleben.

Ich glaube, viele unterschätzen häufig den Produktions-Prozess eines Albums. Kannst du ein wenig davon berichten, mit welchen Schwierigkeiten man sich dabei herumschlagen muss?

Jon: Bei uns war das von Vorneherein schon mal komplizierter, als es bei den meisten anderen Bands normalerweise der Fall ist. Wir spielten die Instrumente nicht einzeln ein und mischten dann alles zusammen, sondern wir nahmen alles zur gleichen Zeit auf. Da wir viel mit klassischen Instrumenten arbeiten, erschwert das die ganze Sache noch einmal. Wenn du davon dann die Rohfassung hast, klingt das erst mal wie eine absolute Katastrophe. Außerdem war niemand von uns ein gelernter Sound-Engineer. Wir mussten uns erst einmal ein "Ohr" für diese Arbeit aneignen. Ein unglaublich langwieriger Prozess, aber wir wollten das eben unbedingt so machen. Letztendlich hat all das dazu geführt, dass wir so lange mit der Produktion gebraucht haben. Aber als Belohnung klang "Tamer Animals" dann wirklich so, wie wir uns das vorgestellt hatten.

Du hast die klassischen Instrumente erwähnt, die bei euch eine wichtige Rolle spielen. Bringen sie eure Songs erst auf das nächste Level?

Jon: Definitiv. Wir haben alle schon immer klassische Musik geliebt. Gerade im Vorfeld zu "Tamer Animals" haben wir sehr viel zeitgenössische Klassik wie die von Philip Glass oder Steve Reich gehört. Es macht unglaublich Spaß, Streicher- oder Horn-Arrangements zu kreieren und sie geben den Songs dann meistens die Note, die es noch braucht, um sie perfekt zu machen. Das soll aber nicht heißen, dass wir moderner Technik skeptisch gegenüberstehen. Unsere Musik soll eine Brücke zwischen Pop und Klassik schlagen.

Viele Bands benutzen ja auch verstärkt elektronische Elemente, um ihren Sound zu variieren. Kannst du dir das bei den Other Lives auch vorstellen?

Jon: Ja, kann ich mir schon. Auf der EP haben wir auch ein wenig was in der Hinsicht versucht. Unterm Strich sind wir aber eine Live-Band. Analoge Instrumente werden auf jeden Fall immer unser Steckenpferd bleiben.

Hast du das Gefühl, dass es für Musiker von Album zu Album schwieriger wird, kreativ zu bleiben und gute Ideen hervorzubringen?

Jon: Ich würde nicht unbedingt sagen schwieriger. Wenn man aber den Anspruch hat, so wie wir, niemals etwas zwei Mal auf die selbe Art und Weise zu machen, dann stellt das natürlich immer wieder eine neue Herausforderung dar. Mit etwas Geduld und den richtigen Leuten ist das aber kein Problem. Einfach nicht unter Druck setzen lassen, dann klappt das schon.

Benjamin Köhler

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