Interview

Martha Wainwright


Schon vor Beginn des Haldern Pop Festivals lässt Martha Wainwright zum Interview bitten. Die "kleine" Schwester des großen Rufus macht selbigem mittlerweile ganz schön Konkurrenz. Das sieht sie sogar selber so.

Martha, du kommst aus einer sehr musikalischen Familie. Trotzdem mussten wir sehr lange auf dein Debütalbum warten. Warum hat das so lange gedauert? Bist du eine Perfektionistin?

Martha Wainwright: Ich wünschte ich wäre eine Perfektionistin (lacht) Ich war ja lange Zeit die Backgroundsängerin meines Vaters, was mir sehr viel Spaß gemacht hat. Das ist glaube ich der Hauptgrund, warum es letztendlich so lange gedauert hat. Ich habe mich wohl gefühlt, eher im Schatten meines Vaters zu sein als selber im Rampenlicht zu stehen. Es hat eine ganze Weile gedauert bis ich mich getraut habe selber was auf die Beine zu stellen und alleine auf der Bühne zu stehen. Ich würde sagen, dass auch ein gewisser Druck innerhalb der Familie da war, wodurch ich mir nicht genau sicher war, ob ich ähnliches Talent wie mein Vater oder mein Bruder habe. Auch hatte ich keine Ahnung, wie ich meine Gefühle und Gedanken in richtige Songs umwandeln soll. All diese Faktoren waren also dafür verantwortlich, dass es so lange gedauert hat.

Deine Texte sind sehr persönlich. Ist das deine Art dich mit deinen Problemen auseinanderzusetzen?

Martha: Vielleicht....(überlegt lange) Weißt du, ich mag es sehr Songs über meine Gefühlswelt zu schreiben. Mich inspiriert dabei besonders, wenn ich mich schlecht oder traurig fühle. Deshalb handeln wohl der Großteil meiner Songs von negativen Erlebnissen. So wie sich andere zum Beispiel für Politik interessieren und dann politische Songs schreiben, so interessiere ich mich eben für die emotionalen Dinge, die einen Menschen bewegen und überwältigen können. Du hast auch viel mehr lyrische Stilmittel zur Verfügung, wenn du über persönliches schreibst. Beim Schreiben fallen mir mehr Metaphern ein, oder die Verwendung von hellen oder düsteren Farben lassen sich perfekt auf die eigene Seele beziehen. Wenn ich es mir recht überlege, fühle ich mich danach immer besser als vorher. Insofern ist das tatsächlich eine Art für mich, mich besser zu fühlen und mit meinen Problemen umzugehen.

Viele meiner weiblichen Freunde fühlen sich in deiner Musik und deinen Texten besonders verstanden. Glaubst du, dass dein Album allgemein eher Frauen anspricht?

Martha: Ich glaube dadurch, dass ich selbst eine Frau bin, kann es sein, dass ich unterbewusst Dinge ausdrücke, die besonders weibliche Personen ansprechen. Ich weiß ja, wie wir Frauen so ticken (lacht) Ne, mal ernsthaft... Beabsichtigt ist das jedenfalls nicht, aber ich weiß, was du meinst, und ich kann mir auch ganz gut vorstellen, dass zum Beispiel viele Männer sagen: "Ohje, eine Frau am Mikro! Und was singt die da überhaupt für kitschiges Zeug?". Ich denke Frauen sind empfänglicher gegenüber sensiblen und emotionalen Themen, da können die Männer aber nix für (lacht)

Gibt es außer deiner Gefühlswelt noch andere Inspirationsquellen für dich? Vielleicht auf der künstlerischen Ebene?

Martha: Um beim Frauenthema zu bleiben, würde ich nicht sagen, dass es unbedingt weibliche Künstler waren und/oder sind, die mich inspirieren. Das war früher vielleicht so, wenn ich als kleines Mädchen vor dem Spiegel Songs von Marianne Faithfull, Debby Harry oder Edith Piaf gesungen habe. Das waren meine Vorbilder und natürlich hab ich dann erst mal versucht diese zu kopieren. Wenn man jung ist, möchte man immer so sein wie die großen Stars. Wenn du aber dann älter wirst und dich auf diese ganze Musikgeschichte konzentrierst, dann willst du automatisch was eigenständiges machen und möglichst nicht mit vielen anderen verglichen werden. Deswegen denke ich, dass ich zum Großteil von mir selbst inspiriert werde (lacht)

Dein Bruder Rufus ist mittlerweile sehr bekannt unter den gängigen Singer/Songwritern. Gibt es eine Art Konkurrenzsituation zwischen euch beiden? Du hast da vorhin schon eine Andeutung gemacht...

Martha: Ja, das würde ich schon sagen! Wenn ich meinen Bruder treffe, dann ist er ständig am arbeiten. Ich glaube der hört überhaupt nie auf, Musik zu schreiben. Und wenn er nicht gerade für sich Songs komponiert oder aufnimmt, dann hilft er anderen Musikern oder spielt für die ein paar Pianoparts ein. Das zu sehen lässt mich dann selbst nicht zur Ruhe kommen. Ich will dann noch härter und intensiver arbeiten als er. Mein Ziel ist es ähnlich bekannt wie er zu werden und mich ebenfalls nicht von der Musikindustrie verbiegen zu lassen.

Kannst du dir denn vorstellen, zusammen mit deinem Bruder ein Album aufzunehmen?

Martha: Ich würde gerne mit ihm ins Studio gehen, aber ich möchte erfolgreicher werden als er, also geht das erst mal nicht (lacht) Nur Spaß! Die Idee ein gemeinsames Album zu machen, kam noch nie auf, aber ich würde sehr gerne eine Platte zusammen mit Rufus aufnehmen.

Ihr habt tatsächlich noch nie darüber gesprochen, ein gemeinsames Album zu machen?

Martha: Mir fällt gerade selber auf, wie erstaunlich das eigentlich ist, zumal wir beide ja schon lange im Musikgeschäft sind. Aber ich müsste schon lügen, wenn es anders gewesen wäre. Ich glaube, wir waren beide so konzentriert auf unsere eigenen musikalischen Projekte, dass uns die Idee einer Zusammenarbeit gar nicht in den Sinn kam. Möglicherweise ist auch unser Elternhaus ein wenig daran schuld. Als Kinder konnten wir unsere Interessen was Musik angeht nicht so frei verwirklichen wie heute. Wir genießen wohl beide unsere unabhängige Freiheit alleine Songs zu schreiben.

Du hattest ja eine kleine Rolle in dem Film "The Aviator". Bist du dadurch etwas auf den Geschmack der Schauspielerei gekommen?

Martha: Naja, das war ja eher ne Minirolle, um genau zu sein (grinst verlegen) Dabei war ich im College sogar in einem Schauspielkurs eingeschrieben. Da musste man schon eher schauspielern, als das ich das in dem Film getan habe. Aber alles in allem war das natürlich eine aufregende Erfahrung. Am Set zu sein, zum Vorsprechen zu gehen und dann letztendlich die Rolle zu bekommen. Von sowas träumt man ja auch als kleines Kind immer mal wieder. Trotzdem glaube ich nicht, dass es jemals noch zu einem weiteren Auftritt kommen wird. Ich weiß wie hart man als Schauspieler arbeiten muss und dafür ist mir die Zeit für meine Musik einfach zu kostbar.

Selbst wenn du in einem Film mit Brad Pitt in der Hauptrolle spielen könntest?

Martha: Das wäre natürlich was anderes! Natürlich würde ich mit Brad Pitt einen Film drehen wollen (lacht)

Wusste ich es doch!
Letzte Frage: Müssen wir wieder so lange warten, bis du dein nächstes Album veröffentlichen wirst?

Martha: Das hoffe ich nicht! Wenn ich in ein paar Wochen endlich mit der Tour fertig bin, ruhe ich mich erst mal kurz aus. KURZ, ich verspreche es! Und dann mach ich mich sofort an die Aufnahmen zum nächsten Album. Die Hälfte der Songs hab ich sogar schon auf Tour geschrieben. Aber überstürzen will ich natürlich auch nichts! Wenn die Songs da sind, sind sie da. Ich werde da nicht auf biegen und brechen hantieren, nur um das Album fertig zu bekommen. Wenn ich das Gefühl habe, dass alles richtig ist, dann ist es soweit.

Benjamin Köhler

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