Festival-Nachbericht

Haldern Pop Festival


Vergangenes Wochenende war wieder einmal Haldern Pop Festival angesagt. Wir waren wie jedes Jahr für euch dabei und präsentieren als Einstimmung einen umfassenden Nachbericht samt exklusiver Fotos, bevor es dann ab nächster Woche mit zahlreichen Interviews vom Festival weitergeht. Viel Spaß mit unserem Haldern Pop Special!

Selbstverständlich zog der bescheidene Sommer 2011 auch beim diesjährigen Haldern Pop Festival nicht einfach so als Randnotiz vorbei. Bereits im Vorfeld glühte die F5-Taste bei den einschlägigen Wetterseiten. Richtig schlau wurde man allerdings nicht daraus. "Hauptsache kein Regen beim Zelt-Aufbau", lautete der einzige Wunsch. Der Wettergott hatte ein Einsehen und schickte strahlenden Sonnenschein, aber auch eine steife Brise vorbei, so dass der traditionelle Haldern-Sonnenbrand bei vielen nicht lange auf sich warten ließ.

Mehr Geduld brauchte man hingegen bei der alljährlichen Donnerstag-Schlange zum Spiegelzelt. Zwar hatte der Veranstalter mit einem Parallel-Programm in der Haldern Pop Bar und der Dorfkirche Ausweichmöglichkeiten geschaffen, aber selbstverständlich reichten auch deren Kapazitäten nicht aus, um den gesamten Zuschauerstrom zu bewältigen. So schauten auch dieses Jahr wieder einige in die Röhre und mussten mit der Leinwand im Biergarten Vorlieb nehmen.

Wer es ins Spiegelzelt geschafft hatte, erlebte live einen der stärksten Festival-Auftakte des Haldern Pop. Nachdem die sympathischen Retro Stefson mit einer irren Mischung aus Indie, Weltmusik und Euro-Dance sofort das Eis gebrochen hatten, verzauberte der Singer/Songwriter-Newcomer Ben Howard mit einer eindringlichen Performance das Publikum und sorgte für die ersten Gänsehaut-Momente des Festivals. Damien Rice wird sich in Zukunft warm anziehen müssen! Auch Yuck hielten im Anschluss das Niveau weiter hoch. Noch shoegaziger als auf Platte ragte vor allem Sänger Daniel Blumberg heraus, der am Mikrofon eine Lehrstunde in Sachen Slackertum ablieferte. Sogar die Gallaghers wären hier neidisch gewesen, hätten aber immerhin den nächsten Act mit den passenden Worten belegen können. Die Polin Julia Marcell versuchte sich an einer osteuropäischen Bat-For-Lashes-Kopie, scheiterte aber an ihrer eigenen Aufgesetztheit und landete letztendlich irgendwo im kommenden Eurovision-Songcontest-Teilnehmerfeld. Es blieb der einzige schlechte Auftritt des gesamten Festivals.

Die furiosen The Avett Brothers wetzten die Scharte mit einer energiegeladenen Show allerdings sogleich wieder aus und sorgten für euphorische Zustände im Spiegelzelt. Mittlerweile hatte es draußen längst angefangen zu regnen, als schließlich Anna Calvi bewies, warum man sie als nächste PJ Harvey auf der Rechnung haben muss. Düster und mit viel Kraft in der Stimme bearbeitete sie ihre Gitarre immer wieder mit ausgefeilten Soli und setzte das abwechslungsreiche Programm des Abends nahtlos fort. Trotz einstündiger Verspätung war es dann letztendlich dem Brandt Brauer Frick Ensemble vorbehalten den ersten Festivaltag zu beschließen. Minimal Electro, vorgetragen auf größtenteils klassischen Instrumenten. Sieht man auch nicht alle Tage. Typisch Haldern.

Nach kurzer Nacht ging es Freitag auch für viele gleich wieder früh los, denn in der Haldern Pop Bar riefen Matthew & The Atlas und Josh T. Pearson mit großartigen Auftritten und auch die Hauptbühne öffnete endlich ihre Tore, um die Zuschauer mit lockig-flockigem Indie-Pop von Golden Kanine zu begrüßen. Was überall unabhängig von den Bands auffällig war: die letztjährige Love Parade hatte auch beim Haldern Pop ihre Spuren hinterlassen. Eine Verdreifachung des Ordner- und Sicherheitspersonals, breitere Zufahrtsstraßen, zusätzliche Wegbeleuchtung... All dies wird laut Pressekonferenz wohl auch zu einer Preiserhöhung im nächsten Jahr führen. Aber seien wir mal ehrlich, man zahlt diese gerne, solange man weiterhin solch unglaubliche Konzerte genießen kann, wie sie die Wild Beasts und Dry The River am zweiten Festivaltag im Spiegelzelt zelebrierten. Erstere hatten etwas mit dem übersteuernden Sound zu kämpfen, überspielten dieses Problem aber gekonnt mit den Songs ihrer beiden letzten Großtaten "Two Dancers" und "Smother". Dry The River hingegen mussten sich ohne Album in der Hinterhand überhaupt erst mal beweisen. Nun, sie taten dies auf eine so beeindruckende Art und Weise, dass man hier getrost schon mal von der nächsten großen Nummer sprechen darf. Unbeschwerter und harmonieverliebter war Indiefolk lange nicht mehr.

Es hätte sogar noch besser werden können, aber leider sorgte der viel zu laute Sound von der Hauptbühne (Okkervil River und The Wombats) dafür, dass die Performances von Alexi Murdoch und James Vincent McMorrow immer wieder durch die laut wummernden Bässe gestört wurden. Beide ließen sich zwar nicht davon beeindrucken und konnten trotzdem mehr als überzeugen, getrübt wurde das Erlebnis dennoch. Hier muss sich auch das Haldern Pop fragen lassen, wie man die beiden ruhigsten Acts des Festivals parallel zu den mit Lautesten spielen lassen kann. Die schlechte Laune sollte aber nur von kurzer Dauer sein, denn schließlich wartete noch das Special des Labels Erased Tapes. Dieses wartete zuerst mit den Postrockern von Codes In The Clouds (solide) und dem klassisch-elektronischen Duo Nils Frahm & Anne Müller (fantastisch) auf, nur um als Abschluss schließlich mit dem Beatbastler Rival Consoles aber mal richtig die Luzi abgehen zu lassen. Ekstatisches Tanzen überall, schweißgebadete Menschen. So hat man das Halderner Spiegelzelt selten gesehen. Elektro funktioniert dort eben doch!

Die Beine waren noch immer schwer, als am Samstag dann The Black Atlantic mit ihrem wunderschönen Folkpop den letzten Festivaltag gleich mal gebührend einleiteten. Auch der Edelpop von Destroyer, der live wesentlich druckvoller rüberkommende James Blake und Dan Mangan im Spiegelzelt reihten sich im Anschluss in die lange Reihe der tollen Konzerte des Haldern Pop 2011 ein. My Brightest Diamond gab mit ihrer künstlerisch anspruchsvollen Darbietung dann wie vor drei Jahren einige Rätsel auf, lieferte aber dadurch auch die perfekte Einstimmung für den Düsseldorfer Pianisten Hauschka, der, unterstützt durch zwei Percussionisten, ein musikalisches Feuerwerk abbrannte. Selbst die darauf folgenden Warpaint waren davon noch beeindruckt und das, obwohl sie selbst ebenfalls ein großartiges Konzert ablieferten, das im rappelvollen Spiegelzelt frenetisch gefeiert wurde. Die mittlerweile auf sechs Musiker angewachsenen Fleet Foxes hatten auf der Hauptbühne daran erst mal schwer zu knabbern. Dank perfekter Setlist und umwerfendem Sound gelang es der Band aus Seattle aber schließlich dennoch, da noch mal einen draufzusetzen. Tja und wie soll man das als Festivalabschluss dann noch mal toppen? Richtig! Mit einem ordentlichen Post-Rock-Gewitter der Marke Explosions In The Sky. Gänsehaut bei jeder Gitarrennote. So und nicht anders soll ein Haldern Pop Festival 2011 beendet werden.

Da sowohl der Freitag als auch der Samstag wettertechnisch ständig zwischen Sonne und Regen hin- und herpendelten und der Donnerstag so umwerfend schön begonnen hatte, war es natürlich nur konsequent zum Zeltabbau am Sonntag sämtliche Himmelsschleusen zu öffnen. Ein fairer Preis für drei Tage Haldern Pop.






Photo Credits: Marlena Julia Dorniak
Photos (von l.o. nach r.u.): Fleet Foxes, Gisbert zu Knyphausen, Julia Marcell, Wir sind Helden, Wild Beasts, Okkervil River, The Avett Brothers, The Black Atlantic, Destroyer, Bodi Bill, Yuck, James Black, Warpaint

Benjamin Köhler

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